Berichte

Haushaltsdebatte auf Abstand

AßLAR VERABSCHIEDET ENTWURF MIT FüNF-MILLIONEN-MINUS IM ERGEBNIS / CDU UND GRüNE KRITISIEREN STRUKTURELLES DEFIZIT (VON CHRISTIAN KELLER)

AßLAR. Wer dachte, die Corona-Sitzung der Aßlarer Stadtverordneten in der weiträumig bestuhlten Stadthalle würde im Schnelldurchlauf durchgezogen, der irrte. Drei Stunden lang ging es in teils leidenschaftlichen und mitunter auch persönlichen Debatten um die Stadtpolitik und den nun endlich verabschiedeten Haushalt. Die Sitzung aber dürfte nicht allein aufgrund der Corona-Maßnahmen in die Stadtgeschichte eingehen, sondern auch wegen des Haushalts, der mit einem Minus von 5,3 Millionen Euro schließt – und wohl trotzdem genehmigt wird.

 

Warum der Haushalt erst jetzt final beraten wurde, skizzierte Stadtverordnetenvorsteher Paul Djalek (SPD): im Herbst 2019 zunächst die Verschiebung aufgrund fehlender Zahlen des Landes, dann ein erster Entwurf im Dezember, der aber nicht genehmigungsfähig war, Gespräche mit der Kommunalaufsicht, die erneute Überarbeitung und dann ein weiterer, mehrfach geänderter Entwurf im März, der Dank Grundsteuer- und Gewerbesteuererhöhung sowie Einsparungen mit einem Plus abgeschlossen hätte. Hätte, wenn dann nicht Corona gekommen wäre.

 

„Ich habe mich als Stadtverordnetenvorsteher nach telefonischer Rücksprache mit dem Bürgermeister für die Gesundheit entschieden und die Sitzung abgesagt“, erklärte Djalek seine Entscheidung im März. Dass er dann aber habe hören müssen, er habe aus parteipolitischen oder gar persönlichen Gründen die Sitzung ausfallen lassen, habe ihn sehr getroffen. Den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern dankte er ausdrücklich dafür, dass trotz aller Widrigkeiten getagt werde.

Dass der nun vorliegende Haushalt trotz einer Unterdeckung von 5,3 Millionen Euro genehmigungsfähig sei, erklärte Bürgermeister Christian Schwarz (FWG). Es ist der erste Haushalt, den Schwarz als Bürgermeister einbringt. Viele Investitionen seien aufgrund der absolut unklaren Entwicklung wegen Corona zunächst verschoben worden. Auf die geplanten Steuererhöhungen verzichte man gerade jetzt in der Krise ganz bewusst, um die Belastung von Bürgern und Unternehmen nicht noch zu erhöhen.

Das defizitäre Zahlenwerk der Stadt nun aber ausschließlich den Folgen der weltweiten Pandemie anzulasten, wollten vor allem CDU und Grüne nicht gelten lassen. „Es ist ein schlechter Haushalt mit strukturellen Defiziten“, lautete das Urteil von Michael Rau (Grüne). Fraktionschef Oliver Menz bezeichnete den ersten Haushaltsentwurf, der vorgelegt wurde, sogar als „Belästigung für das Parlament“.

Reichlich Kritik gab es auch von CDU-Fraktionschef Jürgen Lenzen. Vor allem an den auch von der Kommunalaufsicht bemängelten strukturellen Defiziten des Aßlarer Haushalts habe man nach einem guten Anfang letztlich nichts geändert. Durch aus seiner Sicht „willkürliche Anpassungen von Ansätzen“, „pauschale Kürzungen“ und die Erhöhung der Steuersätze habe man sich den Haushalt gut gerechnet. „Und damit war für die meisten der Druck bei der Erstellung des Haushalts raus“, konstatierte er. Das ändere aber nichts an den Problemen, die nun zwar verschoben seien, aber doch spätestens beim nächsten oder übernächsten Haushalt wieder zutage treten würden. Ganz persönlich wandte er sich auch an Christian Schwarz, der als Bürgermeister an der Spitze des Magistrats den Mut haben müsse, den Bürgern die Finanzlage der Stadt darzustellen – und wenn nötig auch schmerzhafte Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Den Rotstift jetzt unter Druck anzusetzen, davor warnte hingegen Cirsten Kunz (SPD). „Türen, die jetzt schließen, bleiben zu“, sagte sie. Der Haushalt 2020 sei zwar kein Freifahrtsschein für den Bürgermeister, aber die SPD werde ihm zustimmen. Dennoch: „Klare Linien, klare Aussagen, das ist das, was wir jetzt brauchen“, sagte sie in Richtung Bürgermeister.

Rückenwind erhielt Schwarz aus seiner eigenen Fraktion. Zwar begrüßte FWG-Fraktionschef Michael Clemens den Verzicht auf Steuererhöhungen, machte aber klar, „die Hilfen von heute sind die Steuern von Morgen“. Er forderte mehr Unterstützung und Aufmerksamkeit für die Kommunen von Land und Bund. Es stimme ihn nachdenklich, wenn zwar ein Hilfsfonds für ausgefallene Klassenfahrten aufgelegt werde, über die Kommunen aber kein Wort verloren werde. Ausführlich plädierte er dafür, die Attraktivität der Stadt durch Ausweisung von Wohnraum, weiche Standortfaktoren wie die Laguna, bezahlbare Kinderbetreuung, Vereinsförderung und starke und gut ausgestattet Feuerwehren beizubehalten. Entscheidend sei jetzt, dass die Stadt handlungsfähig bleibe. Und das funktioniere eben nur mit einem verabschiedeten Haushalt. Die Nachfrage von Jürgen Lenzen, wie all das bezahlt werden solle, blieb an diesem Abend offen.

Mit den Stimmen von FWG und SPD bei Gegenstimmen von CDU und Grünen wurden Haushalt und Investitionsprogramm bei 21 Ja-Stimmen, zehn Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen angenommen.

DER HAUSHALT IM KURZÜBERBLICK

Mit Erträgen von 28 Millionen Euro bei Aufwendungen von 33,3 Millionen Euro schließt der Haushalt der Stadt Aßlar im Ergebnishaushalt mit einem Minus von rund 5,3 Millionen Euro . Im Finanzhaushalt, darin enthalten sind die geplanten Investitionen, steht ebenfalls ein Minus von 2 Millionen Euro. Der Höchstbetrag der Liquiditätskredite (früher Kassenkredite genannt), verkürzt gesagt der Dispo der Stadt, wird auf fünf Millionen Euro festgelegt. Geschobene Investitionen sind unter anderem die Neuverkabelung des Rathauses und des geplanten Anbaus (75 000 Euro), die grundhafte Erneuerung von Teilstücken von Born- und Kantstraße (180 000 Euro) sowie die Anschaffung von Mannschaftsfahrzeugen für die Feuerwehren in Aßlar, Werdorf, Berghausen und Oberlemp (jeweils 45 000 Euro).

Quelle: Wetzlarer Neue Zeitung, 06.05.2020